John le Carré

* 19.10.1931 in Poole
† 12.12.2020 in Truro

Angelegt am 14.12.2020
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Über den Trauerfall (9)

Hier finden Sie ganz besondere Erinnerungen an John le Carré, wie z.B. Bilder von schönen Momenten, die Trauerrede oder die Lebensgeschichte.

John le Carré

14.12.2020 um 09:19 Uhr von Redaktion

John le Carré, eigentlich David John Moore Cornwell (* 19. Oktober 1931 in Poole, Dorset, England; † 12. Dezember 2020 in Truro, Cornwall, England) war ein britischer Schriftsteller. Nachdem er selbst für die britischen Geheimdienste MI5 und MI6 gearbeitet hatte, wurde er ab den 1960er Jahren durch seine Spionageromane bekannt. Anfänglich spielten sie zumeist im Klima des Kalten Krieges und rankten sich um die Figur des Geheimagenten George Smiley. Ab den 1990er Jahren griffen le Carrés Thriller auch andere Themen wie die Verstrickung von Politik und Wirtschaft auf. Seine Werke wurden vielfach verfilmt.

Leben

14.12.2020 um 09:18 Uhr von Redaktion

John le Carrés Mutter Olive (Gassy) Cornwell verließ die Familie, als er fünf Jahre alt war. Sein Vater Ronald Thomas Archibald (Ronnie) Cornwell (1906–1975), ein Hochstapler und Betrüger, der mit Schwerverbrechern aus dem Londoner East End, den Kray-Zwillingen, zusammenarbeitete und wegen Versicherungsbetrugs zu vier Jahren Gefängnis verurteilt wurde, übte zeitlebens großen Einfluss auf ihn aus. Le Carré musste ihn immer wieder finanziell unterstützen — „Ein paar zehntausend Pfund hier und da.“ — und blieb am Ende dem Begräbnis fern, obwohl er es bezahlt hatte. In seinem stark autobiografisch geprägten Roman A Perfect Spy (deutsch Ein blendender Spion) verarbeitete er die Beziehung literarisch.

 

Le Carré studierte 1948 und 1949 Germanistik und Neue Sprachen an der Universität Bern, u. a. bei Fritz Strich, der ihn trotz fehlender Deutschkenntnisse förderte. Die Schweiz wurde ihm aufgrund des unerfreulichen Verlaufs seiner Jugend „eine zweite Heimat“. 1950 trat er dem Nachrichtendienst der britischen Armee in Österreich bei. Dort vernahm er Personen, die über den Eisernen Vorhang geflüchtet waren. 1952 kehrte er nach England zurück und studierte am Lincoln College der University of Oxford, wo er für den britischen Inlandsgeheimdienst Security Service (MI5) ultralinke Gruppen nach Sowjetagenten ausspionierte. Nach einer kurzen Unterbrechung seines Studiums wegen der Insolvenz seines Vaters schloss er 1956 sein Studium in Oxford mit Auszeichnung ab. Am Eton College lehrte er für zwei Jahre Französisch und Deutsch. 1958 wurde er MI5-Agent und wechselte 1960 zum britischen Auslandsgeheimdienst Secret Intelligence Service (MI6), für den er in Bonn und Hamburg arbeitete. In dieser Zeit schrieb er seine ersten Romane, bevor er 1964 den Dienst quittierte und sich unter seinem Künstlernamen John le Carré ausschließlich der Schriftstellerei widmete.

 

1954 heiratete er Alison Ann Veronica Sharp, mit der er drei Söhne hat. Diese Ehe wurde 1971 geschieden. 1972 heiratete er die Lektorin Valérie Jane Eustace. Mit ihr hat er einen Sohn, der unter dem Namen Nick Harkaway publiziert.

 

Sein literarisches Archiv übergab John le Carré im Februar 2011 der Bodleian Library zur bleibenden Aufbewahrung.

 

Im Oktober 2019 beantragte er die irische Staatsangehörigkeit, um nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union EU-Bürger bleiben zu können. Seine Großmutter väterlicherseits wurde in Irland geboren.

John le Carré starb am 12. Dezember 2020 im Alter von 89 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung.

Werk

14.12.2020 um 09:17 Uhr von Redaktion

Thema der Romane von le Carré war bis in die achtziger Jahre der Ost-West-Gegensatz und der Kalte Krieg. Die Romane zeichnen sich durch differenzierte psychologische Zeichnung der handelnden Figuren aus und sind akribisch recherchiert. Le Carré brach mit der herkömmlichen Schwarz-Weiß-Sichtweise. Der Westen greift im Kampf gegen den Kommunismus zu den Methoden des Ostens und verrät so die Ideale, für die er kämpft. Le Carré stellt in seinen Romanen wiederholt die Frage, ob der Zweck die Mittel heiligt und ob der Westen zu den Mitteln des Ostens greifen darf, um sich zu verteidigen, und trotzdem eine Gesellschaft bleibt, die es wert ist, verteidigt zu werden. Auch nach Ende des Kalten Krieges ist le Carré seiner Thematik treu geblieben: Männer, die sich für das Individuum und gegen die Institution entscheiden, sowie Kritik an der Politik des Westens. Die Zeitung The Independent nannte le Carré in Bezug auf die Zeitkritik in seinen Romanen „eine faszinierende Mischung aus Patrizier und Populist.“

 

 

Umschlag der Erstausgabe von Der Spion, der aus der Kälte kam

Bereits in seinem ersten Roman Schatten von gestern führt er George Smiley ein, seinen wohl bekanntesten Protagonisten, dessen Genialität als Geheimdienstmann im krassen Gegensatz zu seiner Unfähigkeit zu sozialen Bindungen steht. Der internationale Durchbruch gelang le Carré mit seinem dritten Buch Der Spion, der aus der Kälte kam, in dem Smiley lediglich im Hintergrund die Fäden zieht. Der britische Agent Leamas, dessen Ost-Berliner Spionagering enttarnt wurde (mit schrecklichen Konsequenzen für seine Agenten), wird auf eine letzte Mission in den Osten geschickt. Zu spät muss er erkennen, dass er lediglich eine Schachfigur in dem zynischen Spiel der Geheimdienste darstellt. Diese Darstellung der Agentenwelt steht in einem starken Kontrast zu den zeitgleich erschienenen und verfilmten Spionage-Geschichten um die Figur James Bond. In der Verfilmung des Romans spielt Richard Burton die Rolle des Leamas.

 

In den Romanen Dame, König, As, Spion und Agent in eigener Sache wird Smileys Kampf gegen seinen russischen Widersacher mit dem Decknamen Karla geschildert, von der Enttarnung eines russischen Maulwurf-Agenten im britischen Geheimdienst (offenbar eine Anspielung auf die Affäre um Kim Philby) bis zum endgültigen Sturz seines Widersachers. Die beiden Geschichten wurden von der BBC mit Alec Guinness als George Smiley 1979 und 1982 verfilmt. Le Carré, sehr zufrieden mit der Umsetzung, an der er selbst mit beteiligt war, sah sich von da an aber nicht mehr in der Lage, die Figur weiterzuentwickeln, da die von Guinness kreierte Filmfigur ihm den eigenen Blick auf Smiley verstellte. In dem danach 1991 erschienenen Roman Der heimliche Gefährte trat Smiley noch einmal als Nebenfigur und Stichwortgeber für einen alt gewordenen Spion auf, der sich an Episoden seines Lebens erinnert und komische, heldenhafte oder absurde Stationen seiner Laufbahn Revue passieren lässt.

 

Neben dem Ost-West-Konflikt beschäftigt sich le Carré auch mit den Spannungen im Nahen Osten. In Die Libelle setzt ein israelisches Agenten-Team eine junge Engländerin auf einen palästinensischen Top-Terroristen an. Auch hier steht neben der spannenden und realistischen Handlung die Frage nach der Moral im Vordergrund; die Manipulation von Personen und das Ausnutzen der menschlichen Schwächen des Gegners. Auch die ungerechte Behandlung der Palästinenser wird thematisiert.

 

Auch mit seinen späteren Romanen gelang es ihm, wichtige zeitgenössische Themen in eine hochkomplexe und spannende Handlung einzubinden, so etwa in seinem Buch Der ewige Gärtner, in dem es um die Machenschaften international agierender Pharmakonzerne geht. Immer wieder begegnet man tragischen und skurrilen Gestalten, die oft auf persönlichen Begegnungen während seiner Recherche-Reisen basieren. In Der Nachtmanager (1993) beschrieb er detailliert den internationalen Waffenhandel, in Marionetten (2008) widmete er sich der nach dem 11. September 2001 in der Gesellschaft herrschenden Furcht vor islamistischem Terror, in Verräter wie wir (2011) den Geldwäschegeschäften der russischen Mafia. Im Jahr 2016 erschienen le Carrés Memoiren Der Taubentunnel, in denen er einzelne Episoden aus seinem Leben berichtet. 2017 veröffentlichte er Das Vermächtnis der Spione, bei dem er erneut auf die Zeit des Kalten Krieges verweist, George Smiley abermals auftreten lässt und ein politisches Bekenntnis für Europa abgibt. Obwohl das Vermächtnis von le Carré als Abschluss seines Werkes geplant war, legte er 2019 mit Federball einen neuen Roman vor, der auch eine Reaktion des überzeugten Europäers auf die tagespolitischen Ereignisse um den Brexit ist.

Lieblingsbücher

14.12.2020 um 09:16 Uhr von Redaktion

Das Internet-Magazin Salon.com fragte 1996 John le Carré, was seine favorisierte Lektüre sei. Le Carré erwiderte, dass er eigentlich diese Frage hasse. Sie verführe dazu, mit der Wahl von ausgefallenen Werken anzugeben. Er führte dann jedoch weiter aus, dass sein Lieblingsroman Dann eben nicht, Jeeves von P. G. Wodehouse sei – seiner Meinung nach gehört dieser komische Roman mit seiner denkwürdigen Preisverleihung durch den betrunkenen Gussie Fink-Nottle in jede Büchersammlung. Damit sich jeder daran erinnere, dass Lesen ein Vergnügen sei, nannte er zwei weitere Werke von P. G. Wodehouse, nämlich die beiden Golfgeschichten The Clicking of Cuthbert und The Heart of a Goof. Zu seinen weiteren Lieblingsbüchern zählte le Carré den Roman Die allertraurigste Geschichte (Originaltitel: The Good Soldier) von Ford Madox Ford, den le Carré als eines der großartigsten Meisterwerke des 20. Jahrhunderts bezeichnete. Die Liebe in den Zeiten der Cholera des Literatur-Nobelpreisträger Gabriel García Márquez wiederum sei nur vergleichbar mit dessen Novelle Chronik eines angekündigten Todes und diese wiederum habe ebenbürtiges nur in Leo Tolstois Der Tod des Iwan Iljitsch, die le Carré als die weltbeste Kurzgeschichte bezeichnete.

 

Wer darüber hinaus viel über die menschliche Natur lernen wolle, sei gut beraten, die Romane von Charles Dickens und Honoré de Balzac zu lesen, gefolgt von Alexander Iwanowitsch Herzens Aus den Memoiren eines Russen, Edward Gibbons The History of the Decline and Fall of the Roman Empire, Flavius Josephus Geschichte der Juden und schließlich Leo Tolstois Anna Karenina.

Rezeption

14.12.2020 um 09:15 Uhr von Redaktion

John le Carré wurde lange Zeit als reiner Genre-Autor wahrgenommen, der für höhere literarische Auszeichnungen nicht in Frage käme. Kritisiert wurde etwa, dass seine politischen Anschauungen seinen literarischen Rang überstiegen und häufig ein Hang zum Predigen die Handlung überlagere. Dennoch haben seine Romane laut Sebastian Shakespeare einen nachhaltigen Eindruck in der englischen Literatur hinterlassen. In ihrer moralischen Tiefe dienten sie als Vehikel, Gut und Böse, Vertrauen und Betrug, Hoffnung und Verzweiflung zu erforschen. Toby Clements betont le Carrés Opazität und moralische Vielschichtigkeit, die über das Genre des Spionageromans hinauswiesen und nicht zuletzt den Niedergang Großbritanniens seit dem Zweiten Weltkrieg gespiegelt hätten. Die besten seiner Romane würden aufgrund ihrer Komplexität und Raffinesse bestehen bleiben:

 

„Von seinen Konkurrenten wird heute nur noch Fleming gelesen, meistens aus Nostalgie. Len Deighton und Alistair MacLean können heute überhaupt nur noch mit viel Ironie gelesen werden. Aber le Carré werden wir noch in hundert Jahren lesen.“

 

– Toby Clements, The Daily Telegraph

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